Großbürgerliche Vergangenheit

Die Beletage zeugt noch von der großbürgerlichen Vergangenheit: Im gemütlichen Wohnzimmer, das nach Westen hinausgeht, hängt ein hölzerner Leuchter über dem Tisch, an dem vor noch nicht allzu langer Zeit das Glöckchen befestigt war, mit dem man nach den Dienstboten klingelte. Dienstboten gibt es heute nicht mehr, aber der Blick auf den Watzmann in die eine und das Tal mit der Hex’ und dem gegenüberliegenden Untersberg in die andere Richtung bleibt. Der knarzende Holzfußboden hat sich für immer in unser Unterbewusstsein eingegraben, wo die Kindheitserinnerungen ruhen, und die Bücherschränke mit den Gästebüchern, Alpenkräuterbestimmungsbüchern und dem Klampfn-Toni sind ein nie versiegender Quell analoger Unterhaltung. 

Für die digitale Unterhaltung ist der WLAN-Router auf dem Flur zuständig; ein beliebter Treffpunkt für Gäste des ersten und zweiten Oberstocks. Hier steht auch der Schrank mit der Bettwäsche mit den Handtüchern, und hier klopft man schüchtern an, wenn man in der eigenen Küche den Korkenzieher nicht finden konnte, und kommt auf diese Weise endlich mal mit seiner Nichte 2. Grades ins Gespräch, die man seit zwanzig Jahren nicht gesehen hat. 

Die Küche in ersten Obergeschoß bietet zudem einen hervorragenden Blick auf die Garage und den Parkplatz und fungiert so als Informationsquelle Nummer Eins zum Thema Kommen und Gehen. Außerdem findet man hier das nötige Equipment, falls man einen Hasen braten oder ein mittelgroßes Reh blanchieren möchte. 

 

 
 

Das Badezimmer ist vergleichsweise frisch renoviert und hygienisch, die Belüftungssituation ist dank großem Doppelfenster auf den Balkon hinaus hervorragend, aber Obacht, man kann auch von draußen hineinschauen!

 
 

Im ersten Stock gibt es eigentlich kaum ein Fenster, das nicht auf einen Balkon hinausgeht, was optimal ist für heimliche und nicht so heimliche Raucher. Das Dreimädelhaus, wie das große Schlafzimmer genannt wird, macht seine leider etwas turnhallenhafte Atmosphäre durch die Ausstattung mit einem Klavier (!) und Zugang auf die Veranda wieder wett. Die Veranda, die auf das Tal mit dem dem Dorf hinausgeht, ist sowieso die heimliche Perle des ersten Obergeschosses, denn hier kann man auch im Winter, mit einer Tasse heißen Tee in der Hand und in die kratzigen braunen Wolldecken eingewickelt, sitzen und Berge gucken, bis alle Sorgen in der majestätischen Stille dahingeschmolzen sind. 

Das zweite Schlafzimmer ist für zwei Personen gedacht; auch eine der heimeligen Ecken in diesem großen, schönen Haus. Insgesamt können also fünf Personen bequem im ersten Stock übernachten; für Notfälle (zuviel Enzian; Schnarcher; Babys), bietet sich die Couch im Wohnzimmer an.

 
 

Der erste Stock: die Top-Adresse für Netzwerker, Menschen mit kulinarischen Ambitionen und Bergsteiger, die nach der Tour vielleicht noch eine, aber ganz sicher keine zwei Treppen mehr schaffen.

 
 

Die eigentliche Krone des Schiedköpfls ist aber sicher der Neiderbalkon: Der große, erweiterte Balkon im ersten Stock über der Haustür, zu dem die vom Hochlenzer hinabsteigenden Wanderer immer so sehnsüchtig hinaufblicken (daher der Name). Bei schönem Wetter ist hier einfach alles perfekt: Der Blick auf den Watzmann; die Sonne; die relative Laufnähe zur Küche, um frischen Kaffee zu holen; die Wink-Blickachse hinunter zum Kröpfl und auf die Seilbahngondeln; der Anschluß ans Treppenhaus in den zweiten Stock für das nächste Schwätzchen mit der Nichte 2. Grades, Großtante oder dem Schwippschwager. Kein Wunder, das hier immer die allermeisten Fotos entstehen, mit denen auf Facebook die digitalen Neider aktivieren kann. 

Text: Cornelia Kelber

 
 

 

Auf dich, mein Bayernland!

Unter Regentropfen zogen wir am 27. Juli im Schiedköpfl ein. Die uns zugeschobene Verantwortung fürs Wetter mußten wir zwar ablehnen; aber ebenso unschuldig sind wir daran, daß jeder folgende Tag lauter Sonnenschein – und damit viele herrliche Ausflüge, zu Fuß und im BMW, brachte. Am 1. August scheiden wir im Bewußtsein: So viel Schönes können wir unsern lieben Gastgebern nie wieder vergelten. Darum muß unser höchst bescheidener Dank sein: Wir nehmen alle Gaben fröhlich – und so, wie sie gemeint sind.

Christel und Gottfried Michaelis, August 1938

Auf dich,
mein Bayernland!

O Höhenglück!
O ungemess'ner Blick
Von Bergesrand
Auf dich, mein Bayernland
dankbar scheidet

Erna Verstl, September 1926

Trischübel, Scharitzkehl
und Eckersattel

Mit Johannes, meinem Leibburschen zu Rad von München gekommen, war es mir vergönnt, eine herrliche Ferienwoche auf dem Schiedköpfl zu verbringen! "Pfingsten", das liebliche Fest ließ Petrus zwar etwas verregnen, dafür schien um so mehr die Sonne der Liebe und Güte unserer Gastgeber hier oben. Wenn auch der Schnee auf Göll und Watzmann meinen gipfelstürmerischen Gefühlen Einhalt gebot, so kam ich doch weit herum im Lande, sah Salzburg, den Königs-, Ober- und Hintersee, stieg auf die Gotzen, sah Trischübel, Scharitzkehl und Eckersattel In steter Dankbarkeit bleibe ich Ihr

Wolfgang Testorpf, Juni 1927